Ungewönlicher Besuch auf der Palliativstation
„Bevor ich sterbe, möchte ich noch einmal mein Pferd sehen!" Diesen sehnlichsten Wunsch äußerte eine schwerkranke Patientin der Palliativstation gegenüber Chefarzt Prof. Dr. Marcus Schlemmer. Da sie zu krank war, um zu ihrer 10-jährigen Stute Nelly in den Stall zu fahren, konnte dieser Wunsch nur erfüllt werden, indem man Nelly zu ihr brachte. Prof. Schlemmer erkundigte sich nach Pferdetransportmöglichkeiten und fand eine junge Reiterin, die ein Pferdetaxi betreibt und diesen ungewöhnlichen Transport durchführen wollte. Es sollte eine Überraschung für die Patientin werden. Eine Freundin, die ihr Pferd gut kennt, ihre Eltern und ihr Mann waren eingeweiht.
Als ihre geliebte Nelly in dem Garten der Palliativstation, direkt auf der Terrasse vor ihrem Krankenzimmer stand, mochte sie erst ihren Augen gar nicht trauen. Auch Nelly war wegen der ungewohnten Umgebung und nach der Fahrt mit dem Pferdetransporter erst zurückhaltend. Einige Äpfel und Karotten später hatte sich Nellys Aufregung gelegt und es herrschte große Freude, ihre Besitzerin wiederzusehen. Die Patientin schüttelte während der Aktion mehrfach den Kopf und meinte immer wieder zu Prof. Schlemmer, Oberärztin Dr. Susanne Roller und dem Pflegepersonal „Ihr seid schon ein bisschen verrückt hier, oder?" Was von allen lächelnd bejaht wurde.
Wenn schwerkranke Patientinnen und Patienten auf der Palliativstation Besuch von ihren Hunden oder Katzen bekommen können, weil es ihnen gut tut, ihnen Freude bereitet und ihre schwere Erkrankung für einen kleinen Augenblick in den Hintergrund rückt, warum dann nicht auch von einem Pferd? Natürlich geht das nicht mit jedem Haustier, auch nicht mit jedem Pferd. Mit Nelly ging es, zur Freude aller, sehr gut. An diesem regnerischen Tag trabte die Quarter Horse Stute freudig durch das große grüne Tor der Schlossmauer, gerade zu der Zeit, als viele Mitarbeitende der Klinik in den Feierabend gingen. Einige kamen aus der Tür und sahen draußen den Pferdetransporter stehen. Auf die Frage, ob dort ein Pferd drin sei, bekamen sie die Antwort: ,,Nein, das steht dort im Palliativgarten, Sie sind gerade daran vorbeigegangen." Die meisten drehten sofort um, gingen zurück in den Hof und kamen mit großen, staunenden Augen wieder raus und meinten glücklich: ,,Da drin steht ein Pferd!" So hat die Aktion nicht nur der Patientin Freude bereitet, sondern auch all denen, die Zaungäste dieses wunderschönen, bewegenden Ereignisses waren.