Ich bin Yvonne.

Meine Eltern haben sich getrennt, als ich noch ganz klein war. Zu Hause ging es drunter und drüber. Meine Mutter war mit uns Kindern überfordert und ich habe von meiner Familie immer wieder Ablehnung erfahren. Als ich in der Grundschule war, kam ich mit meinen Brüdern ins Heim, weil es zu Hause einfach nicht funktionierte.

Viele Jahre später machte ich nochmal einen Ver-such, bei meiner Mutter zu leben, aber auch da klappte es nicht. Der Kontakt tat mir nicht gut. Ich bekam eine gesetzliche Betreuerin. Als ich 21 war, entschied sie, dass ich zu den Barmherzigen Brüdern ziehen soll. In eine Behinderteneinrichtung. Damals war ich ein ängstlicher und verunsicherter Mensch. Meine Familie hatte mich all die Jahre zuvor so sehr enttäuscht und ich war so sauer über diese Entscheidung meiner Betreuerin. Ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte.

Ich bin früher immer sehr schnell explodiert. Hatte keine Strategien, mit Problemen umzugehen. So wie ich es zu Hause gelernt hatte, ging ich auch mit anderen um. Gewalt war immer wieder Thema. Daher musste ich zunächst in einem geschlossenen Wohnangebot leben. Die engen Strukturen und Regeln machten mich wütend.

Doch ich wurde in meiner Wut gesehen. Die Mitarbeitenden hörten mir zu. Ich fand hier Menschen, die respektvoll mit mir umgingen und Vertrauen in mich setzten. Sie motivierten mich, neue Wege auszuprobieren. Das hat mir unheimlich gut getan. So konnte auch ich lernen zu vertrauen.

Über die Jahre hinweg lebte ich in vielen verschiedenen Wohnformen, entwickelte mich weiter – manchmal ging es auch wieder einen Schritt zurück. Ich nahm an den Bildungsangeboten der Einrichtung teil, lernte mich dadurch besser kennen und übte mich darin, Geduld zu haben. Mit anderen und vor allem auch mit mir. Genauso war es mit der Arbeit. In kleinen Etappen lernte ich, was es heißt, arbeiten zu gehen. Und durchzuhalten. Das war gar nicht so einfach. Irgendwann konnte ich die Werkstatt für Menschen mit Behinderung besuchen und mein eigenes Geld verdienen.

Inzwischen weiß ich, dass ich die Strukturen von damals gebraucht habe, um mich zu der Yvonne zu entwickeln, die ich heute bin. Ich lebe zusammen mit meinem Freund in unserer gemeinsamen Wohnung und erhalte über das ambulant begleitete Wohnen der Barmherzigen Brüder stundenweise Unterstützung. Das klappt wirklich gut. Am besten gefällt mir mein Arbeitsplatz in einem Altenheim im Nachbarort. Ich bin zwar noch über die Werkstatt beschäftigt, aber mein Ziel ist es, dort fest übernommen zu werden.
Heute blicke ich stolz auf das zurück, was ich während meiner Zeit bei den Barmherzigen Brüdern geschafft habe.