Elisabeth Inkmann

Schon während der Schwangerschaft wusste Elisabeth lnkmann "da stimmt etwas nicht". Durch Untersuchungen war schnell klar, dass ihr Sohn Julian zu klein ist. Er kam schließlich als Frühehen mit 1.200 Gramm zur Welt. Nach 10 Wochen auf der Kinderintensiv­station wog er 2.000 Gramm.

Essen war immer ein schwieriges Thema. Mit der Zeit kamen noch einige weitere Herausforderungen hinzu. Als Julian ein­einhalb war, zeigte sich erstmals seine Epilepsie. Später wurde ein seltener Gendefekt festgestellt und erst mit knapp 20 erhielt er die Diagnose frühkindlicher Autismus. Da Julian kaum spricht, war lange Zeit nicht klar, wie gut er eigentlich lesen und verstehen kann.

Durch Julians untypische Entwicklung entstand in den gemeinsamen Wochen, Monaten und Jahren eine ganz besondere Beziehung zwischen Elisabeth lnkmann und ihrem Sohn. Unzählige Therapien, Behand­lungen und Förderungen hat sie für ihn erkämpft. Immer nach neuen Wegen und Lösungen gesucht. "Meine Sorge war nur, was passiert, wenn ich nicht mehr da bin!"

Als lebensfroh und liebevoll beschreibt Elisabeth lnkmann ihren Sohn Julian. "Er weiß genau, was er will und lebt trotzdem ganz und gar im Jetzt." Julian versteht es, seine Ziele zu verfolgen. Zum Ende der Schulzeit war erstmal unklar, wie es für Julian weiter­gehen sollte. Ein neuer Lebensabschnitt stand an – der Sprung ins Erwachsenen­leben.
Nach einem Praktikum bei den Barmherzigen Brüdern war Julian schnell überzeugt und wollte wiederkommen. Zwei Jahre besuchte er als externer Beschäftigter die Förderstätte. Im Oktober 2019 zog er dann in die gemeinschaftliche Wohnform. Weg von daheim, ein Riesenschritt in Richtung Erwachsensein.

Seine Mutter schätzt vor allem, dass ihm bei den Barmherzigen Brüdern vermittelt wird: "Du bist richtig, so wie du bist". Sie ist sich sicher, er spürt die Wertschätzung, die ihm hier entgegengebracht wird. Zugegebener­maßen war es anfangs schwierig. Die völlig veränderte Wohnsituation, das Leben in einer Gruppe statt in der Familie, die Suche nach der eigenen Identität. Strukturelle Verän­derungen sind eine große Herausforderung für Menschen im Autismus-Spektrum und deren Umfeld. "Letztlich war es ein Abnabelungsprozess für uns beide. Aber ich kann darauf vertrauen, dass er hier in besten Händen ist", sagt Elisabeth lnkmann.

Die Mitarbeitenden haben gelernt, was Julian braucht, um in seiner Individualität leben zu können. Verlässlichkeit. Sich verstanden fühlen. Ernst genommen werden. Denn Julian lnkmann ist ein erwachsener Mann geworden und möchte auch so behandelt werden.